Auf einem Festival kann man viel lernen: Mit Ohrstöpseln tagsüber im überhitzten Zelt zu schlafen, Ekel und Dixieklos zu überwinden und skurrile Essgewohnheiten anderer zu akzeptieren (erst Eis am Stiel, dann Kartoffelsalat mit Zwieback gelöffelt und dann Zwiebelchips zum Runterspülen).
Das wichtigste lernte ich gleich am ersten Tag: Zu einem Goa-Festival kommen auch “Druffies”. Das Wort ist so schön, dass ich es gleich nochmal schreiben muss: “Druffies”. Die Druffies kamen nur wegen der einen riesigen Trancebühne, die rund um die Uhr den gesamten Camping-”Rückzugsbereich” (laut Veranstalter) monotonst beschallte. Sie tanzen dort ausschweifig und ausladend auf irgendwelchem neumodischen Zeug, HMBC oder irgendetwas ähnliches mit vereinzelten Buchstaben (ein Zeug, dass sich nicht mal einen eigenen ordentlichen Namen leisten kann). Das wollte uns jedenfalls jemand andrehen. Im kalten Morgengrauen tanzen die Mädels dann, laut Erzählung, im Schlafsack stehend weiter. Später (also tagsüber), so spotteten einige Freunde, könne man noch zur Bühne gehen und Druffies umschubsen, die bräuchte man nur leicht anzustupsen – wie eine schlafende Kuh – und schon würden sie umkippen.
Eigene Erfahrungen mit Druffies habe ich aber nicht gemacht. Es ist aber schön zu sehen, wie sich ein Festival in seine verschiedenen Besucher aufspaltet, besonders auch in der Sprache. Die Hippies waren bei uns auch verpönt, auch wenn es genauso ein Hippie-Festival war.
Die Sängerin einer Band sagte auf der Bühne “It would sound better, if these damn hippies hadn’t stolen our soundcard.” (Meine schlechte Übertragung.) Wie sie das sagte, mit welcher Stimme these damn hippies.
Schön war auch, dass die Bundeswehr am ersten Morgen um neun Uhr einen Probeflug mit einem Hubschrauber über dem Rückzugsraum absolvierte. Er flog so tief, dass er fast einen Baum touchierte. “Hippienester auf drei Uhr.” – “Freigabe zum Ausheben, Sir?” Aber die Hippies wehrten sich und schossen mit Silvesterraketen nach dem Hubschrauber. Er kam nicht wieder.
Am deutlichsten wird die kulturelle Fusion an den Nachbarn, die man zugewürfelt bekommt. Meine Favoriten waren die Norddeutschen, die mit einem kleinen Kassettenrekorder ab acht Uhr für Stimmung sorgten. Erst als sie Scooter einlegten, schritten einige Freunde beherzt ein. entschuldigend meinten die Nachbarn: “Aber es ist doch die ‘Best of’ von Scooter.”
Nett waren auch unsere ersten Nachbarn, auf jeden Fall Kokser: Sie hatten eine Schaufenster-Puppe dabei, die zunächst mit einem schwarzen Mantel bekleidet war, der eine Mischung aus Matrix- und SM war. Im Laufe des Festivals verlor sie zunächst ein Bein, wurde dann am Baum erhängt. Als Erklärung für den Tod durch Erhängen hatten sie zuerst ein festivalübliches Schild mit “Stehpisser” daneben gestellt und der Puppe dann ein Schild mit der Aufschrift “I will never fuck nazis again” umgehängt.