Neulich habe ich Stalker von Andrej Tarkovski gesehen – allerdings in der Öffentlichkeit, also gestört. Ich konnte mich die ganze Zeit auf den Film konzentrieren, bis auf die wichtigste Stelle an der die Hauptfigur sagt: “Das ist der wichtigste Moment in eurem Leben.” Kurz vor dieser Stelle begann ein Mädchen in dem komplett dunklen Raum ihr beleuchtetes Handy anzustarren und eine SMS einzutippen und dann spontan rauszurennen. Ich hatte das Gefühl so ging es vielen. Es gab keinerlei Verbindung zu der Ästhetik des Films, zu den Bildern, zur Situation, kein noch so dünnes Band konnte sie in diese Langsamkeit locken. Selbst ich war in diesem Kontext nur abgeschaltet, mitfühlen konnte ich nicht. Erst als der Film zu Ende war, begann ich wieder zu spüren. Und gerade das ist das wundervolle an allen Tarkovski-Filmen: Man entdeckt die Bedeutsamkeit der Bilder, die Wichtigkeit jeder noch so kleinen Bewegung. Die Welt lief langsamer für mich und gleichzeitig fuhr ich Fahrrad. Meine ganzes Fahren kam mir wie eine wunderbare lange Kamerafahrt vor, bei der die Kamera immer wieder kleine Momente herausliest und sie mit der nötigen Zeit besieht, ihnen Leben einhaucht, sie begeistert, sie erfühlt. Und dann kam der großartigste Moment: Ein schwarzer Hund spielt im Film eine sehr entscheidende Rolle. Er ist derjenige, der dem Stalker in der Zone seinen Halt gibt, der sich in einer traumhaften Sequenz zu ihm legt und über ihn wacht. Er ist das natürliche Äquivalent zu den unnatürlichen Mitreisenden.
Ich fahre also nach dem Film mit meinem Auge als Kamera durch die schweigsame und bedeutsame Stadt. Ich atme die kalte Luft tief ein und spüre sie, spüre die Schönheit des Langsamen, die Bedeutungen des Kleinen. Zuletzt schließe ich meine Augen und fahre blind. Als ich sie öffne, blicke ich auf den Hund, der in einer ähnlichen Bewegung fast schwebend vor mir läuft. Der Besitzer weiter hinten macht eine kurze Handbewegung und pfeift den Hund ruhig zurück. Diese Stille. Die Lautlosigkeit.
Wie die Worte hinter dem Erlebten zurückbleiben. Ich wollte es direkt aufschreiben, aber das ging nicht. Ich hatte das Gefühl, einen entstehenden Keim mit jedem Wort nur noch tiefer zu Boden zu drücken. Nun erst habe ich die nötige Distanz und Gefühlsvergessenheit, um darüber schreiben zu können.
Warum sollte ich schreiben, wenn ich glücklich bin. Das einzige Manko: Man wird nie etwas über Glück lesen können, keinen Buchstaben, kein Wort. Glück ist unlesbar, nur lebbar.