Nur mal kurz was Interessantes aus dem Studium, hat man ja nicht so oft. Das Linder-Axiom dreht sich um die Zeitnutzung des modernen Menschen. Hier nun eine Skizze dieses Axioms, soweit ich es verstanden habe und weiter unten persönlicheres und unsoziologischeres.
Zunächst einmal kann man Wohlstand auf drei verschiedenen Ebenen sehen: materiell, sozial und temporär. Nun gibt es ein besonderes Verhältnis zwischen dem Güterwohlstand und dem Zeitwohlstand: Sie verhalten sich antiproportional zueinander. Je mehr Güter ich habe, desto weniger Zeit habe ich. Das liegt besonders an der steigenden Konsumzeit, die ich pro Gut brauche. Die Theorie besagt nun, dass wir immer weiter steigenden Güterwohlstand verzeichnen, aber ironischerweise keinerlei Zeit mehr für deren Konsumption haben.
Aber die These geht noch weiter. Man kann sich die Tagesbeschäftigungen anschauen, beispielsweise eine Stunde: 20 Minuten Philosophieren, Meditieren oder Naturspaziergang, 20 Minuten Fernsehen, 20 Minuten Computerspielen. Diese Aufteilung verschiebt sich mittlerweile, so die Idee, stärker zu den güterintensiven Beschäftigungen, da diese qualitativ steigerbar sind. 20 Minuten Natur können nur schwer intensiver erlebt werden, 20 Minuten Fernsehen hingegen bergen immer die Möglichkeit einer qualitativen Steigerung, 20 Minuten Computer ebenso dank neuer Grafiken und endlosem Spieleangebot. Das passiert jedenfalls, wenn man an die inhärenten Möglichkeiten dieser Elemente glaubt, wenn man immer weiter zappt, weil es doch etwas gutes geben muss.
Inwieweit diese Ideen stimmen, habe ich auch schon mit Freunden diskutiert, sie waren eher skeptisch. Höchstwahrscheinlich aus Selbsterhaltungsgedanken. Ich jedenfalls habe das bei mir oft festgestellt, dass ich mir für die besinnlicheren Dinge kaum noch Zeit nehme, die Dinge, bei denen ich nicht drei Sachen gleichzeitig machen kann, sondern nur still sitze und zuhöre. Daher ist Kino auch antagonistisch: Wenn man drin ist, ist man für zwei Stunden wirklich auf eine Tätigkeit festgelegt. Musik beispielsweise läuft bei mir meist nur noch im Hintergrund, wirklich genießen kann ich sie nicht. Höchstens beim Aufstehen. Vielleicht liegen dort gerade die letzten Potentiale der besinnlichen Tätigkeiten: Am Abend und am Morgen. Der Schlaf ist wie eine kleine Kirche, die fast erdrückt wird von den umstehenden Bürogebäuden der Großstadt.
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