Allgemein

Schreiben und Gegenwart

Ich lese gerade Montauk von Max Frisch, den unverhüllten Abschied von seiner großen Liebe Ingeborg Bachmann. Am Strand sitzend mit irgendeiner fremden Amerikanerin: “Er möchte bloß Gegenwart.” Später: “Gegenwart bis Dienstag.”
Eine andere schöne und zutreffende Stelle:
“Der Schriftsteller scheut sich vor Gefühlen, die sich zur Veröffentlichung nicht eignen; er wartet dann auf seine Ironie; seine Wahrnehmungen unterwirft er der Frage, ob sie beschreibenswert wären, und er erlebt ungern, was er keinesfalls in Worte bringen kann.”
Es ist ein weiter Weg dorthin. Es beginnt mit der Nachzeitigkeit des gedanklichen Schreibens, lange nach dem Erleben wird die Erinnerung durchforstet und in eine andere Gegenwart […]

2006-03-17T15:05:00+01:0017. März, 2006|Allgemein|2 Kommentare

Das Sachzwang-Areal

Die Franzosen sind wieder auf der Straße: Etwa 250.000 Studenten und Schüler, 17 Unis sind komplett besetzt. Sie protestieren gegen etwas, das bei uns wohl einfach durchgewunken worden wäre: Die Aufhebung des Kündigungssschutzes für die ersten zwei Berufsjahre. Bei uns wären wahrscheinlich die Gewerkschaften Sturm gelaufen, niemals die Studenten und Schüler, wie in Frankreich. Die Studenten hätten sich nicht betroffen gefühlt oder auf die vorgegebene Meinung “Das ist der einzige Weg zu mehr Arbeitsplätzen” gehört. Die Deutschen haben eine Hinnehmer-Mentalität: Wahrscheinlich gibt es in jedem Gehirn ein Sachzwang-Areal, das immer wieder den Satz “Wir können ja doch nichts ändern” auf […]

2006-03-17T10:36:00+01:0017. März, 2006|Allgemein|1 Kommentar

Umzugs-Männlichkeit

Bei Umzügen gibt es auch immer wieder nette soziale Effekte zu beobachten. Die meisten hängen mit Männlichkeit zusammen. Ein Verdrängungswettbewerb darum, wer das schwerste trägt, wer am meisten leistet, setzt meist dann ein, wenn einer sich dazu berufen fühlt, an seine Grenzen zu gehen. Wenn man dann schon einmal nur eine Kiste trägt, wird man komisch angesehen, betrachtet sich selbst sogar anhand des Vergleichs als schwächelnd. Dabei besitzt Gewicht auch eine zeitliche Komponente: So wie man eine nur leicht gefüllte Flasche Wasser am ausgestreckten Arm nicht länger als eine Minute halten kann, so wird auch eine leichte Kiste im vierten […]

2006-03-14T11:17:00+01:0014. März, 2006|Allgemein|1 Kommentar

Später Abschied

Neulich ist es mir zum ersten Mal bewusst geworden: Die DM ist mir verloren gegangen. Ich hatte üblicherweise, als mir ein Preis zu teuer erschien, in DM umgerechnet und vor meinem inneren Portmonnaie gesagt: Das würde jetzt soviel DM kosten. Aber erschreckt stellte ich fest, dass ich keinerlei Skala, keinerlei Relation mehr in mir besaß, die den Wert für mich hätte ausdrücken können. Die DM-Skala war abhanden gekommen: Vier Jahre nach deren faktischer Abschaffung nun auch in meinen Gedanken.
Allerdings gibt es in Jena auch noch eine Telefonzelle, die krampfhaft darauf getrimmt wurde, noch DM anzunehmen. Eine Laufschrift verkündet, hier können […]

2006-03-14T00:32:00+01:0014. März, 2006|Allgemein|0 Kommentare

Abkürzungen und Trampelpfade

Eine Abkürzung ist der längste Weg zwischen zwei Punkten. Das gilt auch für zwischenmenschliche Abkürzungen.
Wenn man beispielsweise fühlt, dass der andere nicht normal (wie üblich) mit einem redet. Die Abkürzung ist, genau das zu thematisieren. Der Zielpunkt ist, “wieder normal” miteinander zu reden. Der Weg dahin soll der Satz “Du bist heute so […anders, nicht normal, sauer, unausstehlich, etc…]” sein.
Das funktioniert in den wenigsten Fällen. Es impliziert nämlich: “Du bist gerade falsch, sei mal richtig.” Und richtig oder normal ist in den meisten Fällen nur das, was der andere schon kennt, womit er umgehen kann. Es ist eine Emotionsgarantie statt […]

2006-03-13T12:10:00+01:0013. März, 2006|Allgemein|0 Kommentare

Die Urerwartung

Was macht man mit Erwartungen? Herunterschrauben! Das gelang mir wirklich gut. Ich dachte, meldest du dich halt am Wochenende und schaust, was passiert. Doch ich erreichte niemanden. Nicht am Freitag, nicht am Samstag, nicht am Sonntag. So schwang meine eigentliche Nicht-Erwartung langsam um, in die banale Erwartung, sie überhaupt zu erreichen. Wahrscheinlich ist das aber ein Test. Selbst die Urerwartung soll zerstört werden, nämlich das was vor allen Erwartungen an jemanden liegt: Der Kontakt.

2006-03-12T11:10:00+01:0012. März, 2006|Allgemein|0 Kommentare
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