In letzter Zeit fahre ich sehr unbewusst Fahrrad. Einige Male war ich so in meinen eigenen Gedanken, dass ich sogar bei Rot über die Ampel gefahren bin ohne zu schauen. Aber viel interessanter war eine gestrige Szene.
Ich fahre mit einigem Tempo von der Seite an eine Straße heran, die ich nicht genau einsehen kann. Meine Bremsen sind auch nicht mehr die besten. Logischerweise kommt ein Auto, was ich sehr spät bemerke. Aber ich schaffe es zu bremsen und schlittere ein wenig mit dem Hinterrad, so dass ich parallel zur Straße zum Stehen komme. Aber wohl bemerkt VOR der Straße. Der Autofahrer bremst und fährt einen kleinen Bogen. Nun aber das interessante: Noch während er der Situation ausweicht, beugt er sich im Auto zu mir rüber und wedelt mit der Hand vor seinem Kopf, was wohl soviel bedeuten sollte, dass ich bescheuert wäre. Ich war so beeindruckt von diesen koordinierten Meckerfähigkeiten, dass ich die Gefahr der Situation komplett vergaß. Ob er das schon tausend mal durchgespielt hatte? War ich vielleicht nicht sein erstes Opfer? Hatte ich einen professionellen Meckerer getroffen, einen typischen Deutschen? Immerhin konnte dieser mir ein gutes Gefühl geben, weil ich spürte, dass er das Meckern konnte, dass es ihm im Blut lag, man merkte, es war seine Natur, er hatte Talent zum Meckern und was gibt es schöneres im Leben, als die Talente anderer zu entdecken. Ich fühlte mich von dieser Professionalität so geschmeichelt, ich wusste, dass es gut und wichtig war. Und ich war dabei.