Ich lese gerade Montauk von Max Frisch, den unverhüllten Abschied von seiner großen Liebe Ingeborg Bachmann. Am Strand sitzend mit irgendeiner fremden Amerikanerin: “Er möchte bloß Gegenwart.” Später: “Gegenwart bis Dienstag.”
Eine andere schöne und zutreffende Stelle:
“Der Schriftsteller scheut sich vor Gefühlen, die sich zur Veröffentlichung nicht eignen; er wartet dann auf seine Ironie; seine Wahrnehmungen unterwirft er der Frage, ob sie beschreibenswert wären, und er erlebt ungern, was er keinesfalls in Worte bringen kann.”
Es ist ein weiter Weg dorthin. Es beginnt mit der Nachzeitigkeit des gedanklichen Schreibens, lange nach dem Erleben wird die Erinnerung durchforstet und in eine andere Gegenwart hinüber geschrieben. Irgendwann keimt der Gedanke schon einmal während des Erlebens einer besonderen Episode. Dann wird die Gegenwart satzförmig: Die Menschen werden in Sätzen eingefangen, über den Momenten schweben Punkt, Ausrufe- und Fragezeichen, darauf wartend sich endlich hinter eine Sekunde setzen zu dürfen. Vergleiche verzerren und verzehren die Einmaligkeit. Max Frisch geht in Montauk noch einen Schritt weiter: “Leben ist langweilig, ich mache Erfahrungen nur noch, wenn ich schreibe. Eigentlich kein Witz, er lacht trotzdem.”
Traurig könnte man hier obigen Satz – leicht verändert – anschließen: “Er bräuchte bloß Gegenwart.” Beides stimmt und bedingt sich: Der Wunsch die Vergangenheit zurückzulassen und die Unfähigkeit die Gegenwart mehr zu erleben, als sie – wie ein leeres Blatt – nur zu beschreiben.
Ich würde niemals schreiben, wenn ich glücklich wäre. Schreiben ist künstlich. Ein Blatt, das sich – wie Pauschpapier – vor die Welt schiebt. Ein Text, der – wie Alkohol – Grandiosität spendet.