Manchmal ist Wissenschaft wirklich enttäuschend. Man stelle sich vor, es gebe eine Theorie seit etwa 30 Jahren, nennen wir sie spaßeshalber Agenda-Setting-Theorie. Diese Theorie behauptet endlich wieder einmal eine Medienwirkung gefunden zu haben, nämlich die, dass die Medien zwar nicht bestimmen können, was wir denken, wohl aber worüber wir nachdenken. Klingt einleuchtend: Die Medien gestalten unsere Aufmerksamkeits- und Bedeutungsagenda. Soweit die Theorie. Untersucht wird sie durch Vergleiche der jeweiligen Medienagenda mit einer durch Umfragen erhobenen Publikumsagenda (Was halten sie für die drängendsten Probleme in unserer Gesellschaft?).
Hier beginnen bereits die Probleme: Sicherlich rechnet man mit diversen intervenierenden Variablen. Dass allerdings nur die aggregierten Bevölkerungsdaten (also alle Befragten-Agenden zusammengenommen) einen Effekt aufweisen, der Vergleich der individuellen Agenden mit der Medienagenda allerdings nicht, ist merkwürdig. Dass der Wirkungszusammenhang in den meisten Studien ungeklärt bleibt, ist noch merkwürdiger: Wirkt die Publikumsagenda auf die Medienagenda oder umgekehrt, oder beeinflussen sie sich wechselseitig. Am merkwürdigsten ist jedoch, dass bisher kaum untersucht wurde, wer die Agenda denn aufstellt, wie die Agenda denn generiert wird.
Wie kann man mit so vielen grundlegenden theoretischen Defiziten arbeiten und an diesem Modell festhalten?