Oft bin ich wirklich erstaunt, wieviele Realitäten ein einzelner Tag umschließen kann. Sie wirken in sich abgeschlossen, so unvereinbar, als wäre es nicht diesem Tag geschehen, sondern bereits Wochen vergangen. Das wohl extremste Beispiel war die Fahrt in den Urlaub. Früh um sechs standen wir an der Autobahn und warfen die Münzen, wohin wir fahren. Abends saßen wir in einer Bar und bewunderten das italienische Nachtleben.
Wahrscheinlich ist das ein Problem des Weges: Wenn man ihn nicht bewusst wahrnimmt, geht die Kontinuität des Tages verloren. Der rote Tagesfaden wird nur auf Ausnahme-Inseln sichtbar, ansonsten verläuft er in der bewusstlosen Tiefsee des Alltäglichen. Man kann daran ziehen und wird irgendwann herausfinden, dass man die Treppe des Hauses wirklich hinabgestiegen ist, dass man diesen Weg wirklich zurückgelegt hat. Und man wird dann doch nur das bestätigen, was man sowieso schon weiß: Es gibt einen Grund, warum man gerade dort ist, wo man sich befindet.
Manchmal wollte ich auch schon Realitäten-Weltmeister werden, dann sammelte ich regelrecht abstruse Realitäten, um sie gegeneinander zu stellen, um sie gegen die nivellierende Kraft der 24 Stunden kämpfen zu lassen, gegen den gleichmachenden Mantel dessen, was wir einen Tag nennen.