Du bist Einstein. Du bist Beethoven. Du bist Alice Schwarzer. usw.
Dinge, die man in Deutschland nicht schreiben und auch nicht denken darf: “Du bist Hitler.” Wenn man sich schon auf “große” Persönlichkeiten der Vergangenheit beruft, dann muss man das auch konsequent machen. Sonst müsste man die deutsche Geschichte in eine gute und eine böse unterteilen. Gerade dieser Satz drückt sehr viel Deutsches aus (Autoritätsgläubigkeit, Gehorsam, Fremdenangst, Beamtentum, Duckmäusertum, Minderwertigkeitskomplexe). Allerdings kollidiert dies wohl etwas mit der Intention der ganzen Kampagne: Aufbauen, auf die Schulter klopfen und positiv denken.
Einziges Problem: Hitler war Österreicher.
Mein Wohnbruder und ich haben bis heute fr?h um 3 ?ber die vermeintlich dominante Aussage dieser Kampagne diskutiert (Abbruch der Diskussion aufgrund komat?ser M?digkeit von Wohnbruder). Er ist der Meinung, dass die Vermittlung des „Wir-schaffen-es-Gef?hls“ prim?r ist, w?hrend die Ansprache an das Nationalgef?hl eher Transportmittel f?r dieses Ziel ist. So weit so gut. Kann man nun aber diese nostalgisch verkl?rte ?berh?hung des Deutsch-Seins einfach als Mittel zum Zweck interpretieren? Ich denke nicht. Die Kampagne zeigt uns erfolgreiche Deutsche und kn?pft daran eine bestimmte Wertvorstellungen oder besser: eine bestimmte Message: „Wir sind wer, wir haben’s drauf!“ Eine Gemeinschaft auf nationaler Ebene wird eingeschworen. Albert Einstein, Ludwig van Beethoven und Anne Will zu unseren Br?dern und Lieblingsschwestern erkl?rt. Das Produkt Deutschland wird entworfen und verkauft. Die Kongruenz von Deutsch-Sein und dieser pseudo-humanistischen Werbebotschaft erinnert an ein Positiv (im Dia-Sinne) der Blut-und Boden-Ideologie des Dritten Reiches. Nur diesmal als Image-und Boden-Ideologie mit sozialvertr?glichen, sonnigwarmen Motivationsbotschaften. Du schaffst es, weil du Deutscher bist. Deutsch-Sein wird vom Schmutz der Geschichte befreit. Die Geschichte des Deutsch-Seins ist eine absolute Erfolgsgeschichte – macht alle mit! Dererlei Identit?tsstiftung soll die sch?pferischen Kr?fte in den Deutschen sch?ren. Wie „wir“ das machen sollen, steht in doppelseitigen Werbeanzeigen in der ZEIT: „Du hast eine Garagenband? – Rauf auf die B?hne! Du bist Ludwig van Beethoven.“ Identifiziert euch! Deutsch-Sein soll eine Qualit?tsmarke werden. Das Land der Dichter und Denker wiederauferstehen. Nicht-Identifizierer werden ausgewiesen oder mit einem Spielverderber-Abzeichen versehen. Bis zur n?chsten Kampagne, die allen Schizophrenen neue Identit?ten vorlebt.