Entzauberung ist allerorten. Jeden Tag ein paar Menschen. An einigen Tagen viele. Heute hat es Beck und eine Freundin erwischt. Beck ist Mitglied bei Scientology. Das wars. Was folgt? Und Heidegger war ein Nazi. Schwere philosophische Frage. Ich tendiere bei Autoren immer dazu, eher ihr Leben zu schätzen, denn ihre Werke. Denn gerade was ihr Leben war, strahlt oder ätzt aus ihren Büchern. Bei Musikern war ich nie so konsequent. Vielleicht sollte ich es sein.
Eine Freundin jammerte immer, weil sie nie Geld hatte. Und sie sparte bei allem, wirklich bei allem, nutzte jede Gelegenheit billiger zu telefonieren, zu kopieren oder zu essen. Die Intensität ihres Sparwahn ging mir oft auf die Nerven, weil sie mir gleichzeitig die Frage aufdrängte, ob ich nicht verschwenderisch sei. Und nun hat sie sich spontan eine digitale Spiegelreflex-Kamera für einen fast vierstelligen Betrag geholt. Und meinte, sie wäre dumm gewesen, wenn sie bei diesem Preis nicht zugeschlagen hätte. Schön eigentlich, dass dieselbe Sparlogik auch bei solch großen Beiträgen noch immer hilft. Ich verstehs nicht: War alles Gejammere nur vorgeschoben, wirkte es nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem man Geld hat? Ich dachte, ein sparsamer Mensch hat auch einen asketischen Geist. Oder ist es einfach der moderne Luxuswahn, der selbst Asketen zu sinnlosen Investitionen treibt und ihnen Bedürfnisse und Selbstverwirklichungs-Gedanken gibt, die jenseits all ihrer eigenen inneren Konsistenz liegen. Immerhin wird sie nun nie mehr jammern können. Jammern ist nun der letzte persönliche Luxus, nachdem der reale Luxus Einzug hielt.
Ein Jammer, wie wenig du mich kennst. Ich bin sehr niedergeschlagen, seit diesem Abend. Es gibt eine argentinische Redewendung: „Tiene el cocodrillo en el bolsillo“. Er/sie hat ein Krokodil im S?ckel. Ich habe auch ein kleines Krokodil. W?rdest DU mich kennen, w?sstest Du davon, dass ich nicht asketisch oder peinlich spare, sondern zielgerichtet. Mein Krokodil hei?t Pl?ne. Meist ist es eine Reise, teilweise eine Anschaffung wie meine Bassklarinette damals, mein Laptop oder nun diese Kamera. Gespartes gebe ich ?berlegt aus, Habendes spontan. Vor kurzem sagte mir jemand: Von Dir bekomme ich immer die sch?nsten Geschenke! Ich war stolz und wurde rot. Denn worauf es ankommt, ist nicht, wieviel Geld man hat und ausgibt, sondern wof?r. Ich bin dankbar daf?r, dass ich so erzogen worden bin, Geld sinnvoll zu handhaben und doch gro?z?gig zu sein. Schade eigentlich, dass solch eine Position so schnell eingedellt werden kann, wenn ein Freund, von dem ich gehofft hatte, dass er mich besser kennt, mich verletzt. Ich habe gestern meine Kamera angefasst wie etwas Fremdes, Unheimliches. Nicht mehr wie das vertraute Wunderwerk, das ich seit drei Wochen t?glich bei mir habe. L?sch dem Block nicht. Er regt mich zum Nachdenken an und best?tigt mich in meinen Pl?nen f?r und in Berlin: Jetzt oder nie!
Vielleicht kenne ich dich da wirklich wenig. Ich habe nun auch noch ein wenig gegr?belt, was mich so schockiert hatte. Als ich den Eintrag schrieb habe ich auch dar?ber nachgedacht, ob es nicht sinnvoll ist, f?r bestimmte Dinge einfach zu sparen. Das hast du ja nun auch geschrieben. Und ich glaube diese Einstellung ist sehr sinnvoll und auch das Schenken ist sehr sch?n. Ich glaube, da lag nicht mein Problem. Mein Problem war die Intensit?t, mit der du spartest. Es ist als ob du aus jedem Preis den maximalen Rabatt rauspressen wolltest. Und du verbringst auch sehr sehr viel Zeit damit, Zeit einzusetzen um Geld zu sparen. Dein Leben k?nnte um so vieles einfacher sein, wenn du die Auspressmentalit?t etwas z?geln w?rdest. Weil so sehe ich dich immer hetzen, immer machen, nie ruhen, kurzum du stresst dich jeden Tag, f?r den kurzen Tag, an dem du dein Krokodil bekommst.
…habe dir als antwort eine mail geschrieben