In unserer Zeit wird es immer schwerer, mit Moral zu argumentieren. Auch weil diese Argumentation immer schon die eigene Unantastbarkeit fordert.
Vier Blogger haben nun das Angebot eines Autokonzerns angenommen, vier Wochen kostenlos ein Auto – den neuen Astra – zu testen und in ihrem Blog über ihre positiven wie negativen Erfahrungen zu berichten. Daily Pia rechtfertigt sich in ihrem Blog ausführlich dafür, was ich sehr gut verstehen kann, weil es im besten Falle anrüchig ist.
Es ist ein Bruch. Ich bin kein Experte, ich bin kein Blogger der ersten Stunde, ich weiß nicht, wie sich andere Blogger verstehen und ob es jemals ein allgemeines Blogging-Verständnis gab, aber wenn es so etwas je gab, musste es auf Unabhängigkeit fußen. Unabhängigkeit. Sicherlich haben sich diese vier Blogger nicht abhängig gemacht, sie können immer noch frei berichten, sie können schreiben, dass das Auto schrecklich ist. Sie sind nicht abhängig, aber auch nicht mehr unabhängig. Sie haben sich und – da sie alles Bundesliga-Blogger sind – auch die gesamte Blogosphäre in den Karren der Industrie sperren lassen. Vielleicht kennen sie den einfachen Spruch nicht, dass auch jede Nennung einen großen Werbeeffekt hat. Selbst wenn jetzt in den Blogs darüber gesprochen werden wird, ob es denn rechtens ist, ist das immer noch Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit ist in unserer Welt das seltenste mediale Gut. Sie sind Werbeinstrumente: Bisher war die Werbung überall, umrahmte “nur” die Inhalte – nun bestimmt sie auch den Inhalt. Es ist als ob im Fernsehen, die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung aufgehoben wird. Immerhin will Pia ihre Beiträge gesondert kennzeichnen – ähnlich einer Zeitung, die auch “Anzeige” drüber schreibt.
Die Interessen beider Seiten sind ja auch sehr verständlich: Die Industrie hat erkannt, dass diese Blogger insgesamt mehrere tausend Menschen täglich errreichen. Es sind nur Peanuts, ihnen ein Auto zu leihen, sie könnte es ihnen schließlich auch schenken. Aber das wäre zu offensichtlich. Auch die Motivation der vier Blogger ist verständlich: Warum sollte ich nicht endlich die ersten wirklichen Früchte meines früheren so kleinen Hobbies ernten? Ein Auto, kostenlos.
Ich könnte nun Horrorszenarien beschreiben: Wie die Blogosphäre langsam durchsetzt würde, wie langsam nicht mehr erkennbar sein wird, ob dieser Markenname nun nur zufällig vorkommt oder ob der Blogger einen Kühlschrank dafür bekommen hat. So etwas gibt es in Amerika schon: Firmenblogger. Eine verständliche Idee, aber warum sollte man jemanden Falsches einschleusen, wenn man es doch auch mit kleinen Aufmerksamkeiten auf “natürlichem Wege” erreichen kann. Mit dieser symbolischen Aktion ist dem nun Tür und Tor geöffnet. Scheinbar wussten die vier Blogger bereits über die Symbolkraft ihrer Aktion, warum sonst sollten sie es konzertiert machen.
Aber eine gewisse Themenerschöpfung war auch schon vorher zu spüren: Einige Blogs boten den Lesern an, ihnen Themen zu schicken, die sie dann bearbeiten würden. Auch ein Armutszeugnis – genauso wie sich von Unternehmen Blogzeilen abkaufen zu lassen. Das eine ist ein kreatives, das andere ein moralisches.