Ich habe in letzter Zeit eine neue Sphäre des Aufregens für mich entdeckt: Wie Beziehungen und Liebe in den Medien dargestellt wird. Meinen letzten akuten Anfall bekam ich, als mir zufälligerweise die Monatszeitschrift „Das Magazin“ aus dem letzten Mai in die Hände fiel. Darin sollte es unter dem Titel „Liebespiele“ direkt um Liebe und Partnerschaft gehen. Was der Redaktion dazu jedoch einfiel war – entgegen dem denkwürdigen Magazinsmotto „Hinterher ist man immer schlauer“ – nur eine Aneinanderreihung von Klischees und Stereotypen, die sich an unsere gesellschaftliche Vorstellung von Liebe knüpfen.

Im Hauptartikel „Paradoxien des Glücks“ ging es um die Beziehung von Amelie Fried und Peter Probst, die beide im schreiberischen Geschäft tätig sind und deren Ehe eine der wunderbarsten und tollsten auf der ganzen Welt sein soll. Nichts gegen das Glück, das die beiden gefunden haben, aber die Aufbereitung im Artikel bestätigte all die Vorstellungen, mit denen moderne Beziehungen überfrachtet sind. Zunächst einmal waren die beiden natürlich füreinander bestimmt: Die Glocken läuteten als sie sich trafen und die Sonne warf einen Lichtstrahl durch die undurchdringlich dichte Wolkendecke – nur auf sie. Sicherlich gibt es Anziehung auf den ersten Blick, aber dann gibt es meist auch darauf folgende Momente.

Einmal zum Beispiel sah ich an einer Ampel einer wunderschönen Frau in die Augen und es war wohl das erste Mal, dass ich so deutlich gegenseitige Anziehung, Liebe auf den ersten Blick spürte. Ich war völlig durcheinander, diese Tiefe, dieses Verstehen. Dann aber sagte sie: „Komm Marcel!“ und ein vielleicht sechsjähriger Junge rollte mit seinem Dreirad an die Straße heran – zwischen uns.

Das ist es, was meiner Ansicht nach in vielen modernen Darstellungen der Liebe oft verlorengeht: Das Nicht-Ideale, das Alltägliche und oft auch Schwere.
Da wird in dem Artikel von einer Gewissheit gesprochen, die man im Anblick des anderen gespürt hätte. Was aber passiert mit der Gewissheit, die nicht auf fruchtbaren Boden fällt? Oft ist es vielleicht auch so, dass diese eindimensionale Fixierung auf die eine Person, die dazu bestimmt ist, alles Glück zu geben, dass just diese urromantische Vorstellung die andere Person verschreckt. Verständlicherweise: Wie geht man damit um, aus dem Nichts von einer/einem völlig Fremden „angeliebt“ zu werden? Und dann auch noch mit einer Sicherheit konfrontiert zu werden, die die eigenen Gefühle im Überschwang vorwegnimmt? Der/Die Andere muss sich dann erst einmal den Raum für eine eigene Position erkämpfen. Und ob er jemals ein ähnlich sicheres Stadium der Liebe, eine Liebe auf Augenhöhe erreichen kann, ist mehr als fraglich. Zumal, und das nur am Rande, dieses Angeliebtwerden oft auch das Selbstverhältnis ankratzt: Bin ich wirklich (so) liebenswert? Wohin in einem solchen Fall mit der Sicherheit, dass dies die richtige Person sei? Verletzter Rückzug ins eigene Selbst, direkter Angriff zur Überzeugung der/des Uneinsichtigen oder doch eher Neuausschreibung der Leerstelle des/der Richtigen?

Ich glaube mittlerweile eher daran, dass der ganze Prozess des Verliebens purer Zufall ist. Dass es der Kreuzung zweier zueinander passender Lebenssituationen und einer damit verbundenen besonderen Portion Offenheit bedarf. Und dass man sehr viele Menschen lieben könnte, wenn es denn der Moment erlauben würde. Ein solches wesentlich von Unsicherheit und Zufall geprägtes Bild des Kennenlernens würde ich gerne einmal in irgendeiner Zeitschrift wiederfinden.

Das Verschweigen des Normalen und Herausheben des Besonderen ist leider eine mediale Normalität hierzulande. Welchen Nachrichtenwert besäße es denn über den Alltag der Menschen zu berichten? Der einzige Effekt wäre wohl, dass sich die Menschen in ihren unterdrückten Unsicherheiten nicht so einsam, nicht mehr als Alleinkämpfer fühlen würden. Und das könnte entlasten. Stattdessen wird in der Liebe ein Paar herangezogen, das zum Superpaar stilisiert wird und das in einem krassen Kontrast zu ihrem zerrütteten alltäglichen Umfeld gestellt wird. Was das Paar anders macht, wird nur oberflächlich erklärt: Sie reden sehr viel miteinander, sie tarieren Freiheiten und Nähe aus. Die Schwierigkeiten, die selbst dieses Traumpaar hat, werden besonders konkret als „Schwierigkeiten“ benannt. Was sind denn die Schwierigkeiten, die in einer normalen Ehe entstehen und damit auch (unerwähnterweise) in dieser Ehe vorhanden sein werden?

Zum Beispiel, dass man sich in einer Ehe mit zwei Kindern den Alltag wie mit einem Geschäftspartner organisieren muss. Wie es mein Chef einmal formulierte: „Man befindet sich in bilateralen Verhandlungen: ‚Wenn ich Kind A nehme, dann holst du dafür Kind B dort ab.'“ Es besteht die große Gefahr, dass in diesem Alltagsorganisieren und im zusätzlichen Berufsleben nicht nur die Beziehung zum Partner, sondern auch – damit einher- oder dem vielleicht sogar vorausgehend – die Beziehung zu sich selbst verkümmert.

Solche Probleme werden medial kaum thematisiert und damit kaum normalisiert. Immerhin existiert dafür ein Markt der Ratgeberliteratur, auf dem versucht wird die medialen Effekte auszugleichen. Wenn für diese filigranen Prozesse ein Bewusstsein entstehen würde, würde das wohl viele Beziehungen von dem enormen Druck entlasten, alle unerwünschten und falschen (weil nicht die Beziehung bestätigenden) Gefühle zu verbergen. Es würde klar werden, dass jeder, wirklich jeder an sich und an seinen Beziehungen immer wieder arbeiten muss und dass es weder einen idealen Partner noch einen idealen Beziehungszustand gibt, den man irgendwie festschreiben könnte.

Wer einen wirklich entlastenden Text zu diesem Thema lesen möchte, dem empfehle ich den Artikel des Paartherapeuten Wolfgang Hantel-Quitmann über den „Zeitgeist in der Paartherapie“ in der Zeitschrift „Familiendynamik“ (2&3/2007). Leider gibt diesen Text nicht online. Aber vielleicht stelle ich demnächst noch ein paar wesentliche Aspekte vor. Er nennt vier wesentliche Probleme, die Paare plagen: Der Umgang mit Alltag, die emotionale Nähe, die Sexualität und den Umgang mit Liebesaffären.