Wenn ich junge Studenten sehe, sehe ich oft nur noch jüngere Ausgaben von damaligen Bekannten – nur dass diese jetzt nicht mehr Christian, Matthias oder Alexander heißen, sondern Lukas, Malte und Max. Obwohl also der hippe und coole Alexander mit mir gealtert ist, mittlerweile Kinder hat und langsam konservativ geworden ist, sehe ich ihn nun als hippen und coolen Max wieder auf der Straße und bei Veranstaltungen.

Solche Begegnungen lösen merkwürdige Gefühle in mir aus: Ich schaue die Leute dann lange an, meist viel zu lange, weil ich ebenso fasziniert wie irritiert bin von der Ähnlichkeit – und frage mich, ob ihr Leben wohl auch so laufen wird, wie das der Leute, die ich kenne. Vielleicht erklärt das die merkwürdigen Blicke von manchen älteren Menschen. Vielleicht erklärt das auch, warum es auf den meisten Veranstaltungen kaum Altersdurchmischungen gibt. Wer will schon mit seinem gealterten Ich eine Reise in die Zeit des Studiums machen und von Kopien seiner damaligen jungen Freunde umgeben sein?

Es ist auch irritierend, dass sich Typen scheinbar immer wiederholen! Manchmal, wenn ich doch wieder in einer Veranstaltung mit den jugendlichen Kopien meiner damaligen Freunde sitze, stelle ich mir vor, wie ich plötzlich aufspringe und schreie: „Stoppt das Ganze! Ihr seid doch alles bloß billige Kopien! Ihr denkt, das ist euer Leben – aber das wurde doch alles schon vor 10 Jahren einmal genau so gelebt! Du! Ja, genau du mit dem Bart, den wuscheligen Haaren und dem traurigen Blick! Wie wär’s mal mit einer eigenen Frisur – das hatte vor 10 Jahren schon Christian W. Denk dir doch mal was Eigenes aus! Und du, …“

Ja, das werde ich machen. Und dann werden sie mich auslachen. Oder jemand noch Älteres wird aufspringen und rufen: „Wie originell! Du bist doch auch nur eine billige Kopie! Ich hatte einen Freund, der sah genauso aus wie du und hat das Gleiche schon vor 20 Jahren gerufen!“