Ich erlebe auf Feiern immer häufiger, dass Hits aus den 90er Jahren gespielt werden: DJ Bobo, Culture Beat, Whigfield oder Ace of Base. Ich finde das sehr peinlich, nicht nur weil es durch die banalen Beats und die oftmals hochgepitchten Stimmen so schlechte Musik ist, sondern besonders weil es gar nicht die Musik ist, mit der ich mich in meiner Jugend identifiziert habe. Ich habe diese Musik zwar gehört, aber ich bin dazu nicht in irgendeiner Form ekstatisch abgegangen. Zugegeben: Ich hatte eine eher ruhige Jugend und ich weiß daher auch nicht, ob andere früher zu diesen Songs so wild getanzt haben. Irgendwie kann ich es mir aber nicht vorstellen.
Dazu muss ich auch noch Folgendes gestehen: Ich habe mich jahrelang nicht getraut zu tanzen. Bei dieser Musik merke ich meine damaligen Ängste wieder. Hier wird Tanzen nämlich noch komplizierter: Neben dem eigentlichen Tanzen muss man zugleich auch noch eine ironische Geste zur Musik einnehmen. Diese Musik zu spielen, ist nämlich nicht ernst gemeint. Vielleicht ist es ist auch ein ironischer Ausweg aus der schwierigen Frage, welche Musik will ich ernsthaft auf meiner Feier hören. So spielt man lieber Musik, von der man weiß, dass sie schlecht ist, an die sich aber jeder erinnert. Man erwartet mit jedem neuen Lied einen weiteren geschmacklichen Tiefschlag – und dann tanzt man trotzdem dazu und singt vielleicht sogar mit. Das ist wirklich eine hohe Kunst. Mit genügend Alkohol verliert man dann sogar irgendwann die ironische Distanz.
Bei älteren Leuten habe ich mich früher manchmal gewundert, wenn sie bei irgendwelchen Rocksongs aus den 70er Jahren wie wild durchdrehen. Entsteht dieses Phänomen jetzt vielleicht auch? Nur, dass wir das bei Liedern machen, mit denen wir eigentlich gar nichts verbinden – außer vielleicht, dass wir jung waren. Reicht das wirklich aus?

(Bilder: Bravo-Archiv)