Medien vermitteln in vielen Bereichen ein falsches Bild vom Wesen des Menschen. Am medialen Bild der Liebe hatte ich das bereits hier gezeigt. Ein anderes medial verzerrtes Bild ist das des Alltags-Helden.

In der letzten Woche gab es in den USA (wieder einmal) einen Amoklauf an einer Schule. Als Reaktion darauf kam es wieder einmal zu einer Diskussion über Waffen. Die klassische Begründung, um den Waffenbesitz weiter zu erlauben, wurde natürlich auch vorgebracht: Wenn es einen Amoklauf gibt und alle in der Umgebung ausreichend bewaffnet sind, dann kann schnell jemand mit einer Waffe eingreifen und den Amokläufer ausschalten. Das Problem ist nur: In Schulen sind klassisch bewaffnete Amerikaner selten. Daher dachte Donald Trump dieses Argument nun konsequent zu Ende und äußerte den Vorschlag, die Lehrer zu bewaffnen und für Amokläufe zu schulen.

Nun kam jedoch heraus, dass sich ein bewaffneter Hilfspolizist während des Amoklaufs in der Schule befand. Er wusste, was vor sich ging, blieb aber außerhalb der Schule stehen und griff nicht ein. Scheinbar war er wie erstarrt – vermutlich vor Angst.

Hier kommen nun die Medien ins Spiel: In Actionfilmen kommt es einfach nicht vor, dass Menschen Angst davor haben, ihr eigenes Leben zu riskieren. Immer rennen sie in die Gefahr hinein und wollen das Leben der anderen Menschen völlig selbstlos retten. In Actionfilmen wird damit ein völlig irreales Bild von Menschen in Gefahrensituationen gezeichnet: Dabei gibt es viel eher einen angeborenen Überlebensinstinkt und der führt dazu, sich solchen Situationen gerade nicht auszusetzen. Feuerwehrmänner und Polizisten trainieren extra, um sich trotz dieses Instinkts in solche Situation hineinzubegeben. Die Nachrichten-Medien unterstützen die filmischen Heldenfantasien noch zusätzlich: Nach Amokläufen wird häufig nach Helden gefahndet, die sich dem Täter mutig entgegengestellt und Schlimmeres verhindert haben (z.B. hier).

Umso dramatischer aber wird es, wenn die traurige, heldenarme Realität mit der medialen Wunschfantasie konfrontiert wird: 17 Menschen hat der arme Hilfspolizist nun durch sein Nicht-Eingreifen auf dem Gewissen! Und das ganze Land blickt auf sein reales, menschliches Versagen und ergeht sich heimlich in irrealen, medial erzeugten Heldenfantasien darüber, wie man den Amoklauf hätte doch verhindern können. Und bald sollen dann Lehrer das leisten, was in der Realität nicht einmal ein eigentlich dafür ausgebildeter Polizist leisten konnte.

Immerhin wird diesmal etwas mehr über einen der Gründe für die häufigen Amokläufe in den USA diskutiert: Die einfache Verfügbarkeit von Waffen. Über die Logik einer Gesellschaft, die immer wieder Gewinner und Verlierer produziert, wird allerdings noch nicht debattiert. Als Startpunkt empfehle ich diesen Essay von Götz Eisenberg.

(Bild: Friederike Wöhrlin)