Die meisten Hollywood-Actionfilme der letzten Jahre leiden nicht nur unter Handlungsüberflutung, unter zu viel Zuschauertext oder unter der Entkörperlichung ihrer Helden, sie leiden auch an einer eklatanten Bösewicht-Schwäche!

Ein ordentlicher Actionfilm braucht einen ordentlichen Bösewicht. Ich halte nichts vom postmodernen „Es gibt keinen Bösewicht mehr, da alle ein wenig böse sind“. Das mag in der Realität vielleicht so sein, aber für den Spannungsaufbau eines fiktiven Actionfilms ist es unerlässlich, dass es eine echte Gefahr gibt und nicht tausend kleine, eigentlich nur gut gemeinte Pseudo-Gefahren.

Das klassische Prinzip des Actionfilms ist in meinen Augen eigentlich ganz einfach: Die Zuschauer müssen Angst vor dem Bösewicht haben, nur dann werden sie auch um den Helden zittern, wenn er diesem gegenübertritt. Doch so einfach das zu sein scheint, so selten wird es von Hollywood in den letzten Jahren umgesetzt. Deshalb will ich hier ein paar Regeln aufstellen, wie man einen richtigen Bösewicht erschaffen kann.

Regel 1: Bösewichte müssen ordentlich eingeführt werden

Der Bösewicht muss seine Macht und seine Gnadenlosigkeit am Anfang zeigen, indem er etwas unerwartet Böses tut: Sinnbildlich gesprochen müsste er eine kleine, niedliche Katze töten, die zuvor zwei Minuten lang gezeigt wurde, wie sie herzallerliebst mit einem Wollknäuel spielt und friedlich Milch schlabbert.

Im ersten Teil von Star Wars wird beispielsweise Darth Vader sehr schön eingeführt: Sein oberster General hat einen Fehler gemacht. Logische Konsequenz: Vader erwürgt ihn, ohne zu zögern und ohne körperlich anwesend zu sein (!) – allein mithilfe „der Macht“. Das ist mal eine klassische Bösewicht-Exposition: Selbst bei seinen eigenen obersten Leuten kennt er keine Gnade und hat zugleich scheinbar übernatürliche Fähigkeiten.

Es müssen natürlich nicht alle Fähigkeiten sofort in der Exposition gezeigt werden. Aber der Bösewicht muss so prägnant und pointiert vorgestellt werden, dass der Zuschauer Angst vor ihm bekommt.

Regel 2: Bösewichte müssen dem Helden gefährlich werden können

Der Bösewicht muss größere Macht als der Held haben! Die Angst des Zuschauers vor dieser Macht ist dabei auch ein wenig paradox, da es bei Hollywood-Filmen eigentlich immer die Sicherheit gibt, dass sie für den Helden gut ausgehen. Insofern muss dieses vorhandene Wissen im Laufe des Films durch die scheinbare Übermacht des Bösewichts grundlegend erschüttert werden. Der Zuschauer muss die Sicherheit, dass es gut ausgehen wird, im Laufe des Films verlieren.

Wichtig ist, dass es sich bei der Macht des Bösewichts nicht nur um erzählte Macht, sondern auch um gezeigte Macht handelt. In vielen Actionfilmen wird versucht, Bösewichten Macht zuzuschreiben, indem die Figuren des Films sich lediglich vor ihnen fürchten und erzählen, wie böse diese doch seien. Das reicht allerdings nicht! Auf diese Weise bekommt der Zuschauer keine Angst vor ihnen. Es gilt die klassische Hollywood-Storytelling-Regel „Show, don‘t tell!“.

Zugleich muss die Macht aber auch für den Zuschauer nachvollziehbar und begrenzt sein: Der Bösewicht darf nicht zu allmächtig sein, da sonst die Konfrontationen für den Zuschauer nur abstrakt und unberechenbar bleiben (das Problem vieler Comic-Verfilmungen). Die helden-zerstörerischen Fähigkeiten müssen daher klar definiert werden.

Regel 3: Mehrere Bösewichte sollten in einer Hierarchie stehen

Wenn es mehrere Bösewichten in einem Film geben soll, dann sollte es eine Hierarchie geben. Der Ober-Bösewicht macht sich die Hände nicht selbst schmutzig – er oder sie hat Schergen, die die Drecksarbeit machen. Der Held trifft also nicht gleich auf den Ober-Bösewicht, sondern muss sich erst in der Hierarchie „hoch-kämpfen“. Erst am Ende trifft er zum finalen Kampf auf den Ober-Bösewicht. In diesem Fall muss die in Regel 1 beschriebene Bösartigkeits-Exposition entweder durch einen Schergen erfolgen, der eine angeordnete möglichst gnadenlose Tat durchführt, oder durch eine extreme Bestrafung innerhalb der eigenen Organisation (siehe Darth Vader).

Durch eine Hierarchie kann dem Zuschauer gezeigt werden, dass der Ober-Bösewicht auch Würde hat und nicht alleine ist, sondern eine ganze Organisation hinter ihm steht. Es wäre würdelos, wenn der Held bereits am Anfang direkt zum Ober-Bösewicht durchdringen könnte.

Regel 4: Bösewichte sollten ein Motiv haben

Sobald in Filmen gehandelt wird, sollte es eigentlich auch ein Motiv für die Handlung geben. Das gilt auch für den Bösewicht. Die Vorstellung, dass es Bösewichte gibt, die einfach nur von grundauf böse sind, genügt normalerweise nicht – zumindest nicht für menschliche Bösewichte. Bei Tieren, Robotern oder außerirdischen Wesen kann hingegen ein natürlicher Tötungsinstinkt oder eine tödliche Programmierung unterstellt werden. Aber je komplexer und intelligenter ein Bösewicht ist, desto gefährlicher und spannender ist auch der Kampf gegen den Helden. Dumme Bösewichte sind langweilig. Daher sollte der Bösewicht auch ein Motiv erhalten.

Das Problem ist jedoch: Sobald der Bösewicht ein Motiv bekommt, besteht die Gefahr, dass der Bösewicht dem Zuschauer verständlich und letzten Endes vielleicht sogar sympathisch wird. Daher ist die Motiv-Auswahl bei Bösewichten auf die Standard-Emotionen des Negativen beschränkt: Wut und Zorn – meist will er Rache für vergangene Verletzungen üben. Manchmal ist es auch ein fanatischer Glaube an eine bösartige Ideologie. Oft wird auch noch eine Prise Wahnsinn ergänzt. Zu viel Wahnsinn schadet allerdings eher, da so der Bösewicht zu unberechenbar wird.