Es gibt seit einiger Zeit einen neuen Trend in Hollywood-Filmen und auch in Serien: Ensembles werden divers besetzt. Und das nicht nur in Geschichten, die in der Gegenwart spielen, sondern auch in der Vergangenheit. In der erfolgreichsten Netflix-Serie der letzten Zeit, der Historienserie „Bridgerton“, ist die englische Königin beispielsweise eine Schwarze. Die Serie spielt Anfang des 19. Jahrhunderts.

Das erfreut die liberalen Medien und die neue identitätspolitische Linke natürlich. Ich kann die Idee dahinter auch gut verstehen: Es soll Normalität werden, dass Schwarze, asiatisch-und spanisch-stämmige Schauspielerinnen und Schauspieler in den Serien in allen möglichen Rollen zu sehen sind. Es soll das Publikum auch irritieren. So sollen sich die Menschen an ein kulturell diverseres Umfeld gewöhnen und erkennen, dass es nicht nur die alles beherrschenden alten weißen Männern und deren Liebesgeschichten mit ebensoweißen Frauchen gibt.

Allerdings: Wird damit auch schon etwas an den Diskriminierungen verändert, die diese Menschen in der realen Gesellschaft erfahren? Wird damit nicht vielmehr eine „heile Welt“ suggeriert, die es jenseits der Serien gar nicht gibt? In der nicht-so-heilen Welt findet beispielsweise Segregation und Ghettoisierung statt – da sind nicht alle Freunde und gleichberechtigt, da treffen sich Schwarze und Weiße oft gar nicht. Warum gibt es denn die „Black lives Matter“-Bewegung? Warum sterben denn Schwarze viermal häufiger an Corona in den USA? Warum sind schwarze Männer wesentlich häufiger in den Gefängnissen? Weil sie viel häufiger arm sind, weil sie deutlich geringere Aufstiegschancen haben und weil sie auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden.

Dass sich Hollywood nun einen Diversitätskodex gegeben hat, ändert daran gar nichts. Diversität ist hier nur eine aufgehübschte Fassade, ein goldener Lack, der über die wirklichen Verhältnisse hinwegtäuscht. Dabei ist es eigentlich an Absurdität kaum zu überbieten, dass im damaligen England eine schwarze Frau auf den Thron gesetzt wird (Zitat Wikipedia: „Gegen Ende des 18. Jahrhunderts betrug Liverpools Anteil am atlantischen Sklavenhandel 40%. Im profitabelsten Jahr 1799 wurden durch Liverpooler Sklavenschiffe über 45.000 Menschen aus Afrika abtransportiert.“). Die historische Wirklichkeit wird auf den Kopf gestellt (auch wenn es sicherlich ein oder zwei Schwarze in der damaligen Oberklasse gab) und in ein Wattepolster des aktuellen Gut-Seins eingewickelt.

Jetzt könnte man einwenden: Aber es geht ja auch gar nicht um Sozialpolitik oder um die Aufdeckung von Missständen, es geht doch nur um Wohlfühlen und Einmal-der-traurigen-Wirklichkeit entfliehen. Aber warum dann diese absurde Geschichtsklitterung? Der Serienmacher Chris van Dusen erklärt dies mit der Macht des Möglichkeitssinns: “Could she have used her power to elevate other people of color in society? Could she have given them titles and lands and dukedoms?” Was er sich leider nicht fragt: „Could she have stopped the slave trade?“

Man stelle sich nur vor, in einem Nazi-Drama würde Hitler als schwarze Jüdin besetzt! Für Hollywood wäre das aber sicherlich auch kein Problem – man würde den Holocaust, der nämlich nebenbei auch stattfand, in dem Drama ja gar nicht mitbekommen, weil es sich ja um eine Liebesgeschichte unter den Nazi-Eliten handelt – und vielleicht hätte die jüdische Hitler-Regentin auch ein paar Juden Häuser und Titel gegeben. Wer weiß?

Es ist eine zutiefst konservative Bewegung, die die vorhandenen gesellschaftlichen Gräben mit einer Alles-ist-gut-und-so-divers-Geste zuschüttet. Wenn Schwarze und andere real diskriminierte Minderheiten im Kino und in Serien in willkürlichen Rollen besetzt werden, die überhaupt nichts mit der damaligen oder der aktuellen gesellschaftlichen Realität zu tun haben, kleistert das den Menschen die Augen vor den wirklichen Zuständen zu. Es gaukelt dem „woken“ Publikum vor, dass alles gut ist, solange doch die Serie „richtig“ besetzt ist. Es ist eine moderne Biedermeier-Bewegung. Die Serie ist ein politisch korrektes „Vom Winde verweht“.

Bild: Screenshot

P.S.: Wie es aussehen kann, wenn man einen Film glaubhaft divers schreibt und dreht, kann man in dem Film „Driveways“ sehen.